Bericht, Presse, Trostfrauen

Berlin will Mahnmal gegen sexualisierte Kriegsgewalt gegen Frauen entfernen lassen

Verletzung der Kunst- und Meinungsfreiheit: Das Bezirksamt Mitte beugt sich Druck der japanischen Regierung und widerruft Genehmigung für Friedensstatue in Moabit

Stellungnahme des Korea Verbands, 08.10.2020

Der Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel, hat dem Berliner Korea-Verband am vergangenen Mittwoch (7.10.) mitteilen lassen, dass die erst kürzlich aufgestellte Friedensstatue innerhalb einer Woche entfernt werden müsse. Als Begründung werden vor allem „aktuelle Störungen der deutsch-japanischen Beziehungen“ genannt. Die Regierung in Tokio hatte direkt nach Enthüllung der Statue Druck auf das Auswärtige Amt, den Berliner Senat und das Bezirksamt Mitte ausgeübt. Es hat nur wenige Tage gedauert, bis Berlin einknickte und die Grundrechte auf Kunst- und Meinungsfreiheit einschränken lassen will. 

Die Aktionsgruppe „Trostfrauen“ des Berliner Korea-Verbands hatte die Friedensstatue Ende September gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Südkorea und Deutschland enthüllt. Sie erinnert an das Schicksal von Hunderttausenden Mädchen und Frauen, die während des Asien-Pazifik-Kriegs (1931-1945) vom japanischen Militär verschleppt und als sogenannte „Trostfrauen“ sexuell versklavt wurden. Hier handelt es sich um historische Fakten, die von japanischen Rechten und Nationalisten seit Jahrzehnten geleugnet werden. „Das Bezirksamt Mitte konstruiert fadenscheinige Pseudo-Argumente, um Tokio gefällig zu sein“, sagt die Vorsitzende des Korea-Verbands, Nataly Jung-Hwa Han. „Der Korea-Verband hat von Anfang an transparent gearbeitet und auch darauf hingewiesen, dass mit deutlichen Protesten der japanischen Regierung zu rechnen sei.“ Der genaue Wortlaut der erklärenden Texttafel wurde zu keinem Zeitpunkt von der zuständigen Kommission Kunst im Stadtraum/Kunst am Bau angefordert, so Han. „Ihr jetziger Inhalt entspricht genau den Angaben aus unserem Genehmigungsantrag. Das Bezirksamt Mitte wusste also, dass die Statue die nachgewiesenen Verbrechen der kaiserlich-japanischen Armee thematisieren würde.“

Der Korea-Verband ist eine deutsche Organisation, die seit gut 30 Jahren tätig ist und deren Arbeit mehrheitlich von deutschen Bürger_innen geleistet wird und das völlig unabhängig von sowohl der nord- als auch südkoreanischen Regierung. Das gilt auch bei der Vorbereitung der Friedensstatue, denn der´ Schwerpunkt des Kunstwerks liegt auf den Betroffenen sexualisierter Gewalt.

Ausgehend von der sexualisierten Kriegsgewalt im Zweiten Weltkrieg in Asien soll die Statue vor allem an den Mut der Frauen erinnern, die als Überlebende das Schweigen brachen und mahnt, „sich gegen eine Wiederholung solcher Verbrechen weltweit einsetzen“, wie auf der Inschrift zu lesen ist. Die Statue fordert Frieden, Demokratie, Frauen- und Menschenrechte ein, weshalb sie den Namen „Friedensstatue“ trägt. Sie erhielt den Spitznamen „Ari“ (armenisch für Mut), um auf den Mut der Überlebenden hinzuweisen und zudem auf den Genozid in Armenien aufmerksam zu machen.

„Vom rot-rot-grünen Senat und von Bezirksbürgermeister von Dassel erwartet der Korea-Verband, dass sie Rückgrat zeigen. Einschränkungen der Kunst- und Meinungsfreiheit aufgrund Drucks einer ausländischen Regierung sind eines Rechtsstaats nicht würdig“, sagt Verbandsvorsitzende Han. „Das Bezirksamt hatte seine Entscheidung getroffen ohne einmal mit uns gesprochen zu haben. Wir suchen jedoch weiterhin den Dialog mit dem Bezirksamt Mitte.“ 

Der Korea-Verband prüft aktuell rechtliche Schritte gegen die Rücknahme der Aufstellungsgenehmigung.

Hintergrund: Nicht die erste Statue, die Tokio entfernen lassen will

Japans Außenminister Toshimitsu Motegi Außenminister hatte Heiko Maas Anfang Oktober direkt dazu aufgefordert, die Statue entfernen zu lassen. Es ist nicht das erste Mal, dass die japanische Regierung gegen die Errichtung einer Friedensstatue in Deutschland protestiert. So beugte sich unter anderem Freiburg 2016 dem japanischen Druck, nachdem die Partnerstadt Matsuyuma damit gedroht hatte, die Städtepartnerschaft aufzukündigen. 2017 wurden Erklärungstafeln auf einer Statue, die im Nepal-Himalaya-Park in Wiesent bei Regensburg aufgestellt wurde, ebenfalls auf Druck der japanischen Botschaft in Deutschland entfernt. Auch in dem aktuellen Fall wurden die Städtepartnerschaften angeführt, die das Bezirksamt bedroht sieht, und die Erklärungstexte kritisiert. Doch es handelt sich um ein Kunstwerk und dieses kann nicht verboten werden! 

In Südkorea und auf den Philippinen gab es ähnliche Fälle, in denen die eigenen Regierungen die Friedensstatue auf Druck japanischer Regierung entfernen ließen. Die starke Zivilgesellschaft in Südkorea verhinderte dies erfolgreich.

Download

Wir stellen die Stellungnahme auf Deutsch und Englisch als Download zur Verfügung:

Weitere Informationen

Titelbild: Die Friedensstatue in Berlin Moabit, Foto von Sanhah Lee