Am 16.05.2024 veröffentlichte die Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner nach dessen Tokio-Besuch eine Pressemitteilung, in der Wegner unter anderem ankündigte, dass es zu „Veränderungen“ bezüglich der Friedensstatue kommen solle. Dies interpretierten wir als seine Absicht, die Friedensstatue zu entfernen und nahmen dazu ausführlich Stellung. Der Eindruck, dass die Berliner Friedensstatue „Ari“ in akuter Gefahr ist, verstärkt sich nach Berichten in der taz und dem nd. An dieser Stelle gehen wir auf einige Annahmen ein, die uns im Engagement für die Statue immer wieder begegnen, und kontextualisieren die Bedeutung der Friedensstatue. Anschließend formulieren wir unsere konkreten Forderungen zum Erhalt der Friedensstatue.
1. Es ist nicht die Friedensstatue, die den Ärger macht.
Immer wieder lesen wir, dass die Friedensstatue „umstritten“ sei und für Unruhe und Konflikte sorgt. Das stimmt nicht. Die Friedensstatue steht für den Mut der Überlebenden und ihrem Wunsch, dass es nie wieder Krieg gibt. Das Subjekt der Statue ist kein Konflikt, sondern der Mut der Frauen. Für viele Menschen hat die Friedensstatue eine große persönliche Bedeutung, völlig unabhängig von geopolitischen und diplomatischen Interessen. Die Berliner Zivilgesellschaft und die Bürger*innen in der Nachbarschaft schätzen die Statue und sehen sie nicht als „Unruhestifterin“. Für den Ärger und die Konflikte ist allein die japanische Regierung verantwortlich, die die Statue zu einem Problem und Politikum erklärt hat, sowie deutsche Politiker*innen, die sich auf fragwürdige Argumente einlassen. Ohne ihre Interventionen könnten wir uns weiterhin ungestört unserer Bildungsarbeit widmen.
2. Es handelt sich nicht um einen binationalen Konflikt.
Oft begegnen wir der Annahme, dass es sich bei der „Trostfrauen“-Frage um einen binationalen Konflikt zwischen Japan und Südkorea handle. Das ist falsch. Die sogenannten „Trostfrauen“ stammten nicht nur aus Korea, sondern aus mehr als 14 verschiedenen Nationen. Zwar begann die „Trostfrauen“-Bewegung in Korea, doch wuchs sie zu einer transnationalen Bewegung heran, die auch Betroffene aus vielen anderen Ländern miteinschloss.
Basierend auf einem eurozentrischen Geschichtsverständnis fehlt in Deutschland grundlegendes Wissen über die Rolle, die das japanische Kaiserreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Asien-Pazifik-Raum innehatte. Seit Ende des 19. Jahrhunderts verfolgte Japan eine aggressive Expansionspolitik. Von dem strategischen japanischen Imperialismus waren die meisten Nationen im Asien-Pazifik-Raum betroffen, insbesondere während des Asien-Pazifik-Krieges ab 1937. Die Behauptung, durch die Statue werde ein binationaler Konflikt ausgetragen, geht auf einen Fehlschluss zurück.
3. Die Vereinbarung von 2015 ist irrelevant für die Botschaft der Friedensstatue.
Das Abkommen zwischen der südkoreanischen und japanischen Regierung von 2015 wird von Überlebenden des „Trostfrauen“-Systems und Angehörigen scharf kritisiert und nicht akzeptiert, da es ohne ihre Beteiligung zustande gekommen war. Zwar ist also der „japanisch-koreanische Konflikt“ um die „Trostfrauen“-Frage diplomatisch beigelegt, doch spricht die Friedensstatue für die Überlebenden des „Trostfrauen“-Systems und andere Opfer von sexualisierter Gewalt weltweit, die immer noch für Gerechtigkeit kämpfen.
4. Der Korea Verband ist ein unabhängiger Verein, der mit keiner Regierung zusammenarbeitet.
Der Korea Verband (und damit auch die AG „Trostfrauen“, die die Aufstellung der Friedensstatue initiiert hat) ist ein unabhängiger Verein, der keinerlei Bindung an die südkoreanische Regierung hat. Als Verein kritisieren wir stets das Handeln verschiedenster Regierungen, die Menschenrechte oder Menschenwürde verletzen. Die Friedensstatue ist ein Kunstwerk, das aus der Zivilgesellschaft heraus geschaffen wurde und an verschiedenen Orten der Welt aufgestellt wird. Die südkoreanische Regierung ist hieran in keiner Weise beteiligt. Der Abbau wird nicht von der japanischen Zivilgesellschaft gefordert, sondern von einer rechten japanischen Regierung. Seit Jahrzehnten setzen sich Koreaner*innen und Japaner*innen in Berlin gemeinsam für eine Aufarbeitung der „Trostfrauen“-Frage ein.
5. Die BVV hat bereits mehrfach für die dauerhafte Erhaltung der Friedensstatue gestimmt.
In drei verschiedenen Beschlüssen hat die Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Mitte für den dauerhaften Erhalt der Friedensstatue gestimmt. Diese demokratischen Entscheidungen, zuletzt der Beschluss 0428/VI „Friedensstatue dauerhaft erhalten“ vom 16.06.2022, müssen respektiert und umgesetzt werden.
6. Die Schaffung eines weiteren Erinnerungsortes für die Opfer von sexueller Gewalt in Konflikten widerspricht nicht der Erhaltung der Friedensstatue.
Im Beschluss 2865/V entschied die BVV, dass es eine öffentliche Ausschreibung für eine Statue zur Erinnerung an sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen in kriegerischen Konflikten geben soll. Der Korea Verband begrüßt ein weiteres Denkmal. Jedoch war nie vorgesehen, dass dieses Denkmal, das auch von Kai Wegner angesprochen wird, die Friedensstatue ersetzen soll. Beide sollen zusammen existieren und wirken. Der Beschluss 0428/VI der BVV vom 16.06.2022 bestätigt dies: Die Friedensstatue soll Denkmalstatus erhalten und „nahtlos in das umfassendere Konzept eines zentralen Mahnmals […] eingearbeitet werden“. Durch die Aufstellung der Friedensstatue wurde erst die Idee und Diskussion um einen weiteren Gedenkort angestoßen.
7. Bei der Gestaltung des neuen Erinnerungsortes sollten vor allen Dingen zivilgesellschaftliche Gruppen, Expert*innen und Künstler*innen beteiligt sein.
Wenn ein neuer Gedenkort gestaltet wird, sollten an der Ausschreibung und der Entscheidung über die Gestaltung vor allen Dingen Betroffene, die Zivilgesellschaft, wissenschaftliche Expert*innen und Künstler*innen beteiligt sein. Denn dies sind die Menschen, die sich seit Jahrzehnten darum bemühen, dem Thema der sexualisierter Gewalt Sichtbarkeit zu verschaffen. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum Kai Wegner etwa die Einbindung des japanischen Botschafters im Kontext eines Denkmals gegen Gewalt an Frauen ankündigt.
8. Die Friedensstatue ist ein universelles Denkmal.
In den Forderungen oder Ankündigungen eines neuen zentralen Mahnmals, das sexualisierter Gewalt in Konflikten thematisiert, schwingt oft mit, dass es sich bei der Friedensstatue nicht um ein universelles Denkmal handle. Wie bereits dargelegt, bezieht sich die Friedensstatue nicht nur auf einen binationalen Konflikt. Außerdem ist festzustellen, dass sie die Geschichte der „Trostfrauen“ als Anlass hat, doch in ihrer Bedeutung und Botschaft darüber hinaus wirkt. Die Friedensstatue würdigt den Mut und Kampfgeist aller Aktivist*innen, die sich weltweit gegen sexualisierte Gewalt einsetzen. Das wird gerade deutlich, wenn wir mit verschiedenen Organisationen, Initiativen und Communitys an der Friedensstatue zusammenkommen, etwa am 19. Juni, dem Internationalen Tag für die Beseitigung sexualisierter Gewalt in Konflikten.
9. Die Friedensstatue ist auch deutsche Geschichte.
Viele Menschen werten die Friedensstatue ab, weil sie meinen, dass ihre Geschichte keine deutsche Geschichte sei. Auf verschiedenen Ebenen widersprechen wir. Zum einen gibt es eine historische Verbindung zwischen Deutschland und dem japanischen Kaiserreich, besonders auf politischer und militärischer Ebene. In unserem „Museum der Trostfrauen“ und seiner Vorgängerinstitution wird zum anderen auf die Parallelen zwischen „Trostfrauen“-System und KZ- und Wehrmachtsbordellen während des Nationalsozialismus hingewiesen. Sexualisierte Gewalt betrifft uns alle und in Deutschland wurden bisher wenig bis keine Anstrengungen unternommen, im öffentlichen Raum darüber aufzuklären. Zuletzt ist wichtig zu erwähnen, dass wir in einer Migrationsgesellschaft leben. Menschen, die nach Deutschland kommen und Teil unserer Gesellschaft werden, bringen ihre eigenen Geschichten mit. Diese Geschichten und Erinnerungen gehören auch zu Deutschland. Die Friedensstatue steht für diese migrantischen und dekolonialen Erinnerungen.
10. Die Friedensstatue ist das Ergebnis von jahrzehntelangem Engagement für Aufklärung über sexualisierte Gewalt und Kolonialismus.
Die Friedensstatue ist nicht nur ein Denkmal für das vergangene Leid der „Trostfrauen“, sondern auch ein Mahnmal für heutige und zukünftige Generationen. Ihre Aufstellung war für die koreanischen und japanischen Communitys in Deutschland zusammen mit unseren Verbündeten aus der Zivilgesellschaft das Ergebnis von jahrzehntelangem Engagement für Aufklärung über sexualisierte Gewalt und Kolonialismus. Die Friedensstatue im öffentlichen Raum hat große Symbolkraft und ist gleichzeitig Ausgangspunkt für wichtige Bildungsarbeit: Schüler*innen, Studierende, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen setzen sich mit ihr und den Themen der sexualisierten und kolonialen Gewalt sowie Erinnerungskultur auseinander. Der Korea Verband kooperiert mit Jugendgruppen und Schulen in verschiedenen Bezirken in Berlin. Diese Arbeit muss anerkannt werden.
Unsere Forderungen zum Erhalt der Friedensstatue:
- Umsetzung der Beschlüsse der BVV zur Erhaltung der Friedensstatue durch das Bezirksamt Berlin-Mitte.
- Dauerhaftes Bleiberecht für die Friedensstatue statt Duldungsstatus.
- Einbeziehung der Zivilgesellschaft bei Ausschreibung für einen weiteren Erinnerungsort.
- Keine Einmischung von Vertreter*innen anderer Staaten in die Berliner Bezirkspolitik.
- Kein Eingriff in demokratische Strukturen. Kunst im Stadtraum ist nicht Verantwortung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin.
- Schluss mit der Kompliz*innenschaft von japanischen und deutschen Politiker*innen, die Täterperspektiven zentrieren wollen statt auf die Überlebenden zu hören.
- Mehr Aufklärung über koloniale Geschichte im Asien-Pazifik-Raum.
- Anerkennung der Wichtigkeit von mitgebrachter Geschichte von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland – auch das ist deutsche Geschichte.
- Anerkennung der Friedensstatue als Ergebnis des jahrzehntelangen Engagements migrantischer Communitys und Zivilgesellschaft für Aufklärung über sexualisierte Gewalt und Kolonialismus.