Mädchen* und Jungs* kennen die Furcht vor sexuellen Übergriffen auf dunklen Straßen oder in verlassenen Parks. Aus den Medien wissen sie, dass Frauen* in Kriegen oder bewaffneten Konflikten oft Opfer von sexuellen Übergriffen werden. Vielleicht haben sie auch von der #MeToo-Bewegung gehört, in der insbesondere FLINTA* (Frauen, Lesben, inter-, non-binary, trans* und agender Menschen) offen über die täglichen Erfahrungen sexueller Belästigung und Gewalt sprechen. Sexualisierte Gewalt gegenüber Mädchen, Frauen und Jungs bleibt in unserer Gesellschaft und im Schulalltag jedoch tabuisiert.
Genau an dieser Stelle setzt unser Jugendbildungsprojekt „Setz dich neben mich!“ an, welches 2021 vom Korea Verband ins Leben gerufen wurde, um Jugendlichen im Alter von 14 Jahren und älter die Geschichte der sogenannten „Trostfrauen“ im asiatisch-pazifischen Raum während des Zweiten Weltkriegs näher zu bringen. Diese Frauen wurden von der japanischen Kaiserlichen Armee sexuell versklavt und mussten während des Krieges als „Trostfrauen“ dienen und Soldaten „trösten“. Neben der historischen Aufarbeitung zielt das Projekt darauf ab, das Bewusstsein für sexualisierte Gewalt in vergangenen und aktuellen Kriegssituationen sowie im eigenen Alltag der Jugendlichen zu schärfen.
Durch das Beispiel der „Trostfrauen“ und der Friedensstatue haben wir erfolgreich einen Zugang zu diesem Thema mit Jugendlichen gefunden. Obwohl die Geschichte der „Trostfrauen“ zunächst entfernt erscheint, erkennen Jugendliche Verbindungen zur eigenen Lebensrealität schnell und setzen dies in größere historische und globale Kontexte.
Ein zentraler Bestandteil des Projekts ist die kreative Auseinandersetzung mit der Friedensstatue, liebevoll „Ari“ genannt, die zu Ehren der ehemaligen „Trostfrauen“ geschaffen wurde. Seit 2019 steht eine Friedensstatue in Berlin-Moabit. Die Friedensstatue fungiert als pädagogisches Medium, um die Komplexität der Themen Kolonialismus und sexualisierte Gewalt zu vermitteln. Es wird das Schweigen der Betroffenen wegen Scham und Schuldgefühlen sowie das Leugnen des Verbrechens durch die Täter thematisiert. Die Statue steht symbolisch für den Mut und die Widerstandskraft der betroffenen Frauen, die ihr Schweigen brachen und damit die „Trostfrauen“ Bewegung starteten. Der Name der Friedensstatue bei uns in Moabit, „Ari“, bedeutet auf Armenisch „die Mutige“.
Besonders bemerkenswert ist der leere Stuhl neben der sitzenden Figur, der zur Interaktion einlädt und eine Botschaft der Solidarität und des Gedenkens vermittelt. Die Jugendlichen werden ermutigt, sich neben die Statue zu setzen, um gemeinsam über die Vergangenheit zu reflektieren und sich für eine gewaltfreie Zukunft einzusetzen.
Durch Workshops und künstlerische Projekte haben die Jugendlichen die Möglichkeit, sich kreativ mit dem Thema auseinanderzusetzen und ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Sie können eigene Rap-Songs schreiben, Videos drehen, Performances durchführen oder Stühle gestalten, um ihre Botschaften zu verbreiten und gegen sexualisierte Gewalt zu protestieren.
Das Projekt legt besonderen Wert darauf, einen sicheren und unterstützenden Raum für die Jugendlichen zu schaffen, in dem sie sich frei äußern und ihre eigenen Erfahrungen teilen können. „Setz dich neben mich!“ wird von Sexualpädagog*innen von Wildwasser e.V. und Berliner Jungs e.V. begleitet, die speziell geschult sind, um sensibel auf die Bedürfnisse der Jugendlichen einzugehen und sie in ihrem Empowerment-Prozess zu unterstützen.
Seit seinem Beginn im Jahr 2021 hat das Projekt kontinuierlich an Verbesserungen gearbeitet und enge Kooperationen mit verschiedenen Organisationen etabliert, um eine umfassende und sensibilisierte Bildungsarbeit zu leisten. Unser Museum der Trostfrauen (abgekürzt mit MuT) wurde im Oktober 2022 nach einer jugendgerechten Überarbeitung fertiggestellt. Es fungiert als geschützter Raum für behutsame Auseinandersetzung und kreative Entfaltung im Rahmen des Projekts. Als diverses Team streben wir danach, rassismuskritische, feministische und anti-ableistische Werte zu vermitteln und die Jugendlichen in ihrer eigenen Wertigkeit zu stärken.
Die Weiterentwicklung des Projekts für 2024 sieht die Fortführung bestehender Kooperationen sowie die Schaffung neuer Verbindungen vor, um Jugendlichen weiterhin Raum für ihre eigenen Perspektiven und Schwerpunkte zu geben und sie in ihrer Wertigkeit zu stärken.
Bis jetzt haben wir mit vielen Jugendgruppen aus unterschiedlichen Berliner Bezirken zusammenarbeiten dürfen. Dazu gehören unter anderem SJD – Die Falken Kreisverband Neukölln, jubel3 mit Gebärdensprache e.V. (Kreuzberg), Karame e.V. (Mitte), Mädchen-Kultur-Treff Dünja (Mitte), Beraberce e.V. (Mitte), Mächenladen Naya (Wilmersdorf-Charlottenburg) und Laiv Jugendcafé (Reinickendorf).
„Setz dich neben mich!“ wird vom Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung, Demokratie in der Mitte im Rahmen des Programms Demokratie Leben und der Stiftung Umverteilen finanziert.