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Connecting my dots

Eine Momentaufnahme über Herkunft, Identität und Zugehörigkeit von Kim In Yung. Sie setzt sich mit der vielschichtigen Fragestellung auseinander:  Was bedeutet es, koreanisch zu sein? Was bedeutet es, deutsch zu sein? Deutsch und koreanisch? Wie passt beides in ein Leben? Ein Gespräch mit der Autorin.

Wie bist Du darauf gekommen, ausgerechnet während der Pandemie an einem Schreibprojekt zu arbeiten?

Am Anfang der Pandemie bin ich von Menschen, die mir nahe stehen gefragt worden, ob ich von antiasiatischen Rassismus betroffen war – wegen Corona und generell. Darüber habe ich aus ganz unterschiedlichen Anlässen zum ersten Mal länger nachgedacht.  Relativ schnell habe ich angefangen, Erinnerungen und Gedanken aufzuschreiben. Irgendwann wurde mir klar, dass ich die Episoden die mir dazu entlang meiner Biografie eingefallen sind, nur in einer größeren Kontext einordnen kann: Und das ist meine Geschichte mit  Korea und Deutschland.

Das Projekt hat mich tatsächlich von Mai 2020 bis Juni 2021 täglich begleitet. Ich verbinde die Arbeit an dem Projekt mit einem positiven Gefühl, denn durch den Schreibprozess konnte ich kreativ sein. Worte für etwas finden, die in ihrer Anordnung etwas von mir zum Ausdruck bringen. Dieses Gefühl hat mir während der Lockdowns Momente der Selbstwirksamkeit gegeben.  

Als wir Dich angefragt haben, ob Du das Projekt im Korea Verband veröffentlichen möchtest, warst Du nicht begeistert. Warum?

Mir kam der Gedanke einer Veröffentlichung völlig abwegig vor. Ich habe den Text ja ursprünglich als Reflexion für mich selbst geschrieben und ihn später als Momentaufnahme in meinem Familien- und Freundeskreis geteilt. Als Ihr gefragt habt, habe ich gezögert, weil ich unsicher war, ob bin ich mutig genug bin, diese persönliche Momentaufnahme zu teilen. Und weil ich mich gefragt habe, ob ein Text von mir für Menschen interessant sein können, die mich nicht persönlich kennen. Erst nach unseren Gesprächen, konnte ich klar entscheiden.  Und der Mut sprudelte danach fast von selbst aus meiner Motivationsquelle: Ich möchte mit meiner Perspektive einen – von unzählig vielen – Blickwinkeln auf das Deutschsein mit koreanischen Wurzeln geben. Und damit zur Geschichten-Vielfalt beitragen, um hoffentlich zu Reflexion, Identifikation, Verständnis und Austausch beizutragen.

Der komplette Verkaufserlöses aus der Publikation wird an KUMFA, eine südkoreanische Selbstorganisation alleinerziehender und unverheirateter Mütter, gespendet. Welcher Gedanke steckt für Dich dahinter?

Das ist ein anderer wichtiger Aspekt meiner Motivation. Denn die Adoptionsgeschichte aus Südkorea ist für mich die Geschichte der Mütter. Ich möchte den Vätern an dieser Stelle nicht absprechen, dass sie die Fragestellungen und Gefühle nicht auch ihr Leben begleiten, weil sie ein Kind in die Ungewissheit abgegeben haben. Dennoch müssen sie nicht mit der Scham und der Angst leben, dass jemand davon erfährt. Die Frauen, unsere koreanischen Mütter schon. Sie sind mit einem Stigma belegt, ihr Leben lang. Auch heute noch müssen Frauen in Südkorea Stigmatisierung, sowie familiäre und gesellschaftliche Herabwürdigung in Kauf nehmen, wenn sie sich unverheiratet für ihr Kind entscheiden. Daran hat die enorme wirtschaftliche Entwicklung Südkoreas in den letzten fünfzig Jahren nichts geändert.
Dass ich mit meinem Projekt eine Selbstorganisation alleinerziehender Frauen in Korea unterstützen  kann, drückt für mich globale Solidarität aus einer feministischen Perspektive aus. Erst mit dieser Verbindung ist das Projekt komplett geworden.

Der Titel Connecting my dots bezieht sich auf die Fluidität unserer Gedanken. Würde eine Momentaufnahme heute anders aussehen als vor zwei Jahren?

Eine aktuelle Momentaufnahme würde wahrscheinlich weniger intuitiv und unverstellt sein. Sicherlich wäre meine Sprache anders, weil ich Begrifflichkeiten aus der Fachliteratur verwenden würde. Und ich vermute, ich würde versuchen, meine individuellen Erlebnisse stärker mit den strukturellen Problemen zu verknüpfen. Aber das ist natürlich nur hypothetisch.

Deshalb ich bin froh, dass ich die Momentaufnahme ohne das Wissen von heute geschrieben habe. Denn ist es hat sich in der Zwischenzeit viel weiterentwickelt – oder vielmehr, ich habe Fachwissen aufgebaut: Im letzten Jahr habe ich eine Train-the-Trainer Ausbildung im Umgang mit Diversität gemacht, Fachliteratur gelesen, mich weitergebildet und viele neue Menschen kennenlernen dürfen. Und ich habe begonnen, das Wissen für Workshops und Beiträge zu nutzen.

Du veröffentlichst den Text unter Deinem koreanischen Namen Kim In Yung. Was hat es damit auf sich?

Ich bin in Südkorea geboren und wurde von meinen Eltern in Deutschland adoptiert. Bei meiner Ankunft aus Korea habe ich meinen Namen mitgebracht und eine Rassel mit drei Glückskäfern. Durch meine Adoption ist mein Name geändert worden. Durch die Arbeit mit meinem koreanischen Namen möchte ich die Geschichte sichtbar machen.

„Eines kann ich sicher sagen, Korea war immer irgendwie da in meinem Leben. Und ist immer besonderer als alle anderen Länder auf der Erde. Korea ist für mich bis heute neben einem Ort und meinem Geburtsland ein stetiger Prozess. Immer im Anderswerden. Immer im Neuwerden. Ein Ort, der sich in der Ferne mit mir verändert, ohne möglicherweise tatsächlich anders zu sein.“

Kim In Yung

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