In Südkorea hat die Stationierung des US-Raketenabwehrsystems THAAD begonnen. Pjöngjang lässt sich nicht einschüchtern. Ein Beitrag von Rainer Werning.
Es wäre ein Wunder, wenn es der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) ausgerechnet während der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump gelingen würde, das Image eines international geächteten Schmuddelkindes loszuwerden. So ist ihre politische Führung unter Kim Jong Un seit Trumps Amtsantritt gleich mehrfach ins Blickfeld medialer Aufmerksamkeit gerückt. Am 12. Februar testete die DVRK erfolgreich eine Mittelstreckenrakete. Am 13. Februar kam Kim Jong Nam, der ältere Halbbruder Kim Jong-Uns, unter bislang noch nicht vollständig geklärten Umständen auf dem internationalen Flughafen der malaysischen Metropole Kuala Lumpur ums Leben. Als Reaktion auf Pjöngjangs erfolgreichen Start einer Mittelstreckenrakete entschloss sich Beijing, der traditionell engste Verbündete der DVRK, Ende Februar, vorerst keine weiteren Kohlelieferungen aus der DVRK zu beziehen. Und am Montag dann feuerte Pjöngjang zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit vier Raketen ab, die nach einem rund 1.000 Kilometer langen Flug in das Japanische Meer stürzten.
So reagierte Pjöngjang auf seine Weise gegen das gemeinsame Militärmanöver »Foal Eagle« der US-amerikanischen und südkoreanischen Streitkräfte, das diesmal bis Ende April dauern soll. Diese alljährlich stattfindende Militärübung, in deren Verlauf ein US-Flugzeugträger, B-52- und B-1B-Bomber sowie ein atomar betriebenes U-Boot eingesetzt werden, erregt seit jeher den Zorn Pjöngjangs. Solche Manöver zielten darauf ab, Anlandungen im Norden der koreanischen Halbinsel zu simulieren und gewaltsam einen Regimewechsel herbeizuführen. In Südkorea selbst sind noch immer gut 28.000 GIs stationiert.
Ebenfalls zum Wochenbeginn begannen die USA damit, erste Bauteile ihres sogenannten Raketenabwehrsystem THAAD (Terminal High Altitude Area Defense) in Seongju in der Provinz Nord-Gyeongsang südöstlich der Hauptstadt Seoul zu installieren. Dort stieß dieser Schritt bereits in der Vergangenheit, als der Standort von der Regierung in Seoul ausgewählt worden war, auf großen Unmut in der Bevölkerung und massive Proteste. Die Menschen befürchten, dass radioaktive Strahlung ihre Lebensqualität verschlechtern und die landwirtschaftliche Produktion – in diesem Gebiet werden vornehmlich Melonen angebaut – beeinträchtigen.
Offiziell soll THAAD in erster Linie einen »Schild« gegen potentielle Angriffe aus dem Norden bilden. Aus Beijings wie auch aus Moskaus Perspektive gilt THAAD dagegen als bedrohliche »Vorwärtsverteidigung« der USA, weil es Washington gestatte, mittels seines hochentwickelten Radars weit in chinesisches Gebiet sowie in die Fernostregion Russlands hineinblicken zu können. China geht mittlerweile gegen den japanisch-südkoreanischen Lotte-Konzern vor, der einen seiner Golfplätze in Seongju für die Installierung des THAAD-Systems zur Verfügung stellte.
Welche Position Washington künftig gegenüber der DVRK einnehmen wird, ist noch unklar. In seinem Wahlkampf hatte sich Trump widersprüchlich geäußert. Mal bezeichnete er Kim Jong Un als »Jungspund« und »nordkoreanischen Spuk«, dessen Regime von Beijing beseitigt werden sollte, mal signalisierte er, Kim persönlich treffen zu wollen und mit ihm »bei einem Hamburger« Tacheles zu reden.
So bleibt es einstweilen bei der von der nordkoreanischen Nomenklatur aus Furcht vor einem von außen oktroyierten Regimewechsel favorisierten Politik: Wenn man in der internationalen Staatengemeinschaft schon nicht als Freund geachtet wird, will man wenigstens als ein Feind auf Augenhöhe geächtet werden. So hat Kim Jong Un schon in seiner Neujahrsansprache als eines der Ziele seines Landes ausgegeben, an der Entwicklung von Langstreckenraketen zu arbeiten, um dann als vollwertige Atommacht gelten zu können. Das Verhältnis zum Nachbarn und noch immer engsten Verbündeten China dürfte das verkomplizieren.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der Tageszeitung junge Welt, Berlin in der Ausgabe vom Ausgabe vom 10.03.2017, Seite 6 / Ausland.
Titelbild: Erste Teile des THAAD-Raketenabwehrsystems treffen am Dienstag, 07. März 2017, in Südkorea ein | Bildnachweis: Foto: U.S. Pacific Command unter Lizenz (CC BY-NC-ND 2.0)