Die schnelle wirtschaftliche Entwicklung Südkoreas setzte die Welt in Erstaunen. Weniger wahrgenommen wurde es, wie sehr sie vor allem auf der Ausbeutung von weiblichen Arbeitskräften basierte. Der Korea Verband zeigte deshalb im Juni 2016 in mehreren deutschen Städten den Dokumentarfilm „Factory Complex“, um die Kehrseite der rigorosen, neoliberalen Wirtschaftsentwicklung aufzuzeigen. Lee Chong-Gak, eine der Protagonistinnen des Films, wurde von Nataly Jung-Hwa Han im Anschluss an die Filmpremiere in Berlin interviewt.
Interview mit Lee Chong-Gak
Lee Chong-Gak arbeitete damals in Dong-Il Textil und schloss sich unter schlimmster Unterdrückung der Gewerkschaft an. Sie ist auch heute noch in Gewerkschaften und Verbänden aktiv. Im Interview berichtete sie von ihren Kämpfen gegen die Ausbeutung von Arbeiterinnen und wie ihr das politische Handeln den Sinn im Leben gab.
Das komplette Interview stellen wir Ihnen hier als Video mit deutschen Untertiteln zur Verfügung:
Filmpremiere in fünf deutschen Städten
Das Interview wurde nach dem Filmgespräch zur Premiere des Films „Factory Complex“ in Berlin aufgezeichnet. Der Film wurde in insgesamt fünf Städten (München, Frankfurt, Bocholt, Hamburg, Berlin) gezeigt und konnte dank der Förderung durch die Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt mit deutschen Untertiteln versehen werden. Frau Lee Chong-Gak war bei allen Vorführungen anwesend und stand bei den anschließenden Filmgesprächen dem Publikum Rede und Antwort.
An dem Filmgespräch in Berlin nahm Lee Chong-Gak gemeinsam mit Berndt Hinzmann teil, Referent der Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Cloth Campaign) bei INKOTA netzwerk e.V. Hans Köbrich vom Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall Berlin moderierte.
Es wurde insbesondere die aktuelle Lage für Gewerkschaften in Südkorea thematisiert mit Verweis auf die Festnahme Han Sang-gyuns, dem Präsidenten der Korean Confederation of Trade Unions (KCTU). Frau Lee Chong-gak forderte in einem Plädoyer die sofortige Freilassung Han Sang-gyuns, der lediglich Gebrauch seines Rechts auf friedlichen Protest gemacht hat und Demonstrationen organisiert hatte. Viele der anwesenden Gäste unterzeichneten eine Petition Amnesty Internationals zur Freilassung Han Sang-gyuns. Die Petition blieb leider ohne Erfolg. Bereits am 04. Juli 2016 wurde er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Dies unterstreicht jedoch die Bedeutung der Gewerkschaften wenn eine Rechtsprechung am Werk ist, die laut KCTU „in dem Sinne historisch ist, als sie Demokratie, Menschenrechte und legitime Arbeitskämpfe aushebelt.“
Ausschnitte des Filmgesprächs stellen wir Ihnen hier als Video zur Verfügung:
Über den Film
Der Film „Factory Complex“ spannt einen Bogen vom Leben der Textilarbeiterinnen in den 1960er Jahren bis hin zur prekären Arbeit der Gegenwart. Die Arbeit verändert ihr Gesicht bzw. wird teilweise unsichtbar – die zentralen Fragen bleiben dieselben. Vor allem wird der emanzipatorische Ansatz der Arbeiterinnen hervorragend nachgezeichnet, dass sie sich durch den Anschluss an die Gewerkschaft gegen das Mächtige wehren können. Durch den Wechsel des Schauplatzes von Südkorea in den 1970er Jahren auf die Textilfabriken in Kambodscha und Vietnam, vergegenwärtigt der Film wie sich die Ausbeutung im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung wiederholt. Besonders behutsam werden die modernsten Berufe wie Flugbegleiterinnen, Verkäuferinnen eines Riesensupermarktes, Beraterinnen in Call Centern, Verkäuferinnen der Online-Shops etc. porträtiert. Die weiblichen Angestellten werden erneut auf brutalste Art und Weise hinter dem Vorhang ausgebeutet.
Regisseur, Heung-Soon Im, verarbeitete in dem Film seine persönliche Erfahrung: Seine Mutter arbeitete jahrzehntelang als Hilfsarbeiterin in einer Textilfabrik, seine Schwester als Kassiererin in einem großen Kaufhaus, seine Schwägerin als „selbstständige“ Versicherungsverkäuferin. Auf der Biennale von Venedig 2015 wurde Im Heung-Soon für sein Werk mit einem Silbernen Löwen geehrt.
Das Titelbild und die Bilder im Beitrag stammen von Dong-Ha Choe.