Bericht, Presse

Südkoreas Spürhund-Journalismus: NEWSTAPA

Das öffentliche Meinungsbild in den südkoreanischen Medien wird dominiert von einer selektiven Gruppe im Print- und Broadcastbereich. Die Verflechtungen zwischen Staat, Wirtschaft und Medienindustrie heben in der Praxis das Prinzip eines fairen Marktes zum freien Kommunikationsaustausch weitestgehend auf. Zudem verschlechterte sich der Zustand der Pressefreiheit unter der Lee Myung-bak-Regierung maßgeblich. Die Zusammenlegung verschiedener Mediensparten zu mehrgleisig arbeitenden Medienhäusern stärkte die Konzentration in der Medienbranche. Die Vorstände in den staatlichen Rundfunkanstalten wurden durch Mitglieder der Regierungspartei ausgetauscht und die Korea Communication Standards Commission (KCSC) machte sich fleißig daran, Webseiten mit unerwünschten Inhalten zu sperren oder zu löschen – weniger zum Wohl der Bevölkerung als der Regierung. Dennoch, es gibt Anlass zur Hoffnung: Eine neue Art des Onlinejournalismus in Videoform, genannt „Newstapa“, bietet den großen Medienanstalten die Stirn. Die Tools: Tiefgehende Recherche zu ungeklärten und unbekannten Themen, investigative Forschung in den Bereichen sozialer Ungerechtigkeit und Korruption im Business- und Regierungssektor, bürgerfokussierte Berichterstattung und ein kommerziell sowie politisch unabhängiges Finanzierungsmodell.

Newstapa Sewol Dokumentation

Foto: Newstapa

Im Jahr 2012 organisierten die großen staatlichen und privaten Rundfunkanstalten erstmals seit der Adaption eines demokratischen Staatssystems in Südkorea einen mehrwöchigen Streik, weil sie die regierungstreue Linie der großen Broadcastsender ablehnten. Kim Young-jin war vormals Leiter einer Rechercheabteilung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkhauses Korean Broadcasting Systems. Er kündigte seinen Posten, nachdem er wegen Kritik an der Lee Myung-bak-Regierung für vier Monate suspendiert wurde. Mit einem kleinen Grüppchen von Journalisten gründete er 2012 das Korean center for Investigative Journalism (KCIJ), das erste gemeinnützige Journalismus-Recherchebüro in Südkorea, dessen Leitung er heute inne hat. Newstapa, ein Videosenderkanal, der regelmäßig Nachrichtenbeiträge zu Themen publiziert, die in der Öffentlichkeit wenig bekannt sind und über die in den Hauptmedien nicht berichtet wird, wurde zum Aushängeschild des KCIJs. Anfangs betrieben die Journalisten das kleine Büro mangels finanzieller Mittel unter provisorischen Bedingungen, ein Plus war jedoch der Bekanntheitsgrad der Initiatoren. Figuren wie Kim Youngjin oder auch Roh Jong-myung, ein früherer „Staransager“ des staatlichen Nachrichtenkanals YTN. Ein wachsendes Verlangen nach fairem und gut recherchierten Journalismus in der koreanischen Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt war vorhanden und mit Projekten über Enthüllungen zum südkoreanischen Geheimdienst, der Aufdeckung von Wahrheiten über das Schiffsunglück der Sewol-Fähre und zu Sicherheitsfragen in der Verwaltung von Kernkraftwerken auf der südlichen Halbinsel erzielten sie hohe Zahlen an Mitgliedern (35.000 Mitglieder mit regelmäßiger Beitragszahlung) und Followern auf sozialen Medienplattformen. So ging das, in Korea einzigartige, Modell der Finanzierung von Newstapa auf, das jegliche Form von Spende mit kommerziellem oder politischen Hintergrund ausschließt und sich nur durch Bürgerspenden finanziert. Heute ist das KCIJ Teil des globalen Netzwerks Global Investigative Journalism Networks (GIJN), ein Zusammenschluss von Nonprofit-Organisationen, die sich für investigativen Journalismus engagieren. Mit Pro Publica und dem CIR (the center for investigative reporting) in den USA gehört es zu den drei größten Nonprofit-Recherchezentren weltweit. Auf Youtube verzeichnet der Videokanal Newstapa knapp 35 Millionen Aufrufe und die Anzahl der Mitarbeiter des KCIJs ist auf 30 Personen angewachsen.

Mit dem Ziel, gut recherchierten und unabhängigen Journalismus im Auftrag der koreanischen Bürger zu betreiben, hat Newstapa es geschafft, eine kritische Generation an Rezipienten zu erreichen um der staatlich kontrollierten Dominanz in der südkoreanischen Medienlandschaft etwas entgegenzusetzen. Es ist ein Schritt für Südkorea auf dem Weg zu mehr Pressefreiheit und ein Ansatz, Journalismus als „watchdog“ über Machtmissbrauch  in der Politik und Wirtschaft zu nutzen und um ein gerechteres Gleichgewicht zwischen Eliten und Bürgern im Staat herzustellen.

Ein Beitrag von Mira Krebs

Dokumentation „Cruel Times, Lies of a Nation“

In „Cruel Times, Lies of a Nation“ untersucht Newstapa den Untergang der Sewol-Fähre am 16. April 2014. Die Dokumentation wurde zum ersten Jahrestag des Untergangs veröffentlicht.