Spionagevorwurf gegen Song Du-Yul in Südkorea

An den
Botschafter der Bundesrepublik Deutschland
Herrn Michael Geier
Seoul
Republik Korea

7.10.2003

Betr: Situation des deutschen Staatsbürgers Prof. Dr. Du-Yul Song bei seinem Besuch in Südkorea

Sehr geehrter Herr Botschafter,

Vorstand und Kollegium des Instituts für Soziologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster wenden sich an Sie in Sorge und Bestürzung über die Art und Weise, wie Herr Prof. Song seit seiner Ankunft in Seoul am 22. September dieses Jahres von den koreanischen Behörden behandelt wird.

Prof. Song wird letztlich nichts anderes vorgeworfen, als mit Wissenschaftlern und Politikern Nordkoreas in aller Welt Kontakt gehabt und diese Kontakte auch noch gepflegt und ausgebaut zu haben. Die meisten der Unterzeichnenden haben in den Jahren vor der Wiedervereinigung gleiches getan und damit sicherlich einen Beitrag zur deutschen Wiedervereinigung geleistet. Herr Song hat immer wieder im Kollegenkreis deutlich gemacht, wie stark der lange deutsche Einigungsprozess sein Denken geprägt hat (er lehrt seit 1972 als Assistent und seit 1982 als Privatdozent bzw. als apl. Professor an unserem Institut). Sein ganzes Bestreben war und ist darauf gerichtet, aus den deutschen Erfahrungen auch für das Verhältnis der beiden koreanischen Staaten zu lernen. Nach diesem Motiv hat er sein beeindruckendes wissenschaftliches Engagement ausgerichtet und in diesem Sinne mit großer Offenheit und Ehrlichkeit gewirkt, auch und gerade als er 1996 deutscher Staatsbürger wurde.

Und nun soll er genau wegen eines solchen Wirkens als Wissenschaftler, der sein Ursprungsland wiedervereinigt sehen will, gegen Sicherheitsgesetze Koreas verstossen zu haben. Es ist Ihnen sicher bekannt, dass die koreanischen Behörden Prof. Song pausenlos verhören, ihn praktisch unter Hausarrest und nunmehr unter 'Polizeischutz' gestellt haben und eine Anklage gegen Ihn erwägen.

Wir möchten, was die gegen Herrn Song erhobenen Anschuldigungen betrifft, nicht ins Einzelne gehen, verweisen aber darauf, dass die Verhöre ohne die Hinzuziehung seines Rechtsanwalts erfolgen. Überhaupt entspricht die Behandlung von Herrn Song nach unserem Eindruck in keiner Weise den Normen, die in einem solchen Fall anzuwenden wären. Inhaltlich verlassen wir uns in vollem Umfang auf die Erklärungen, die Herr Song vor der koreanischen Öffentlichkeit abgegeben hat und die er für uns in eltichen Mitteilungen dokumentiert hat (vgl. Anlage). Einige der Unterzeichnenden haben mit Prof. Song über lange Jahre wissenschaftlich zusammengearbeitet und können seine Aussagen aus eigener Erfahrung bestätigen.

Wir sind überzeugt, sehr geehrter Herr Botschafter, dass Sie in dieser Angelegenheit bereits gegenüber den koreanischen Behörden tätig geworden sind. Wir sind bereit, Sie in jeglicher Form zu untersützen und gegegebenfalls auch einen unserer Kollegen nach Seoul zu entsenden, um dem Botschaftspersonal zur Seite zu stehen.

Überdies hoffen wir - auf einer ganz pragmatischen Ebene -, dass Herr Prof. Song seine für das Wintersemester 2003/04 angekündigte Lehrveranstaltung pünktlich beginnen kann. Nicht nur seine Kollegen, sondern auch seine Studenten schätzen ihn sehr.

Wir wären Ihnen dankbar, sehr geehrter Herr Botschafter, wenn Sie uns über Ihre Bemühungen in dieser Angelegenheit informieren würden.

Mit freundlichen Grüssen

Prof. Dr. Mathias Grundmann, geschäftsführender Direktor

Prof. Dr. Horst Herrmann

PD Dr. Dieter Hoffmeister

Dr. Bernhard Hülsmann, AOR

Prof. Dr. Reinhart Kößler

Prof. Dr. Hans-Jürgen Krysmanski

Prof.in Dr. Ilse Lenz

Prof. Dr. Sven Papcke

Prof.in Dr. Karin Priester

Prof. Dr. Christian Sigrist

Prof. Dr. Robert Tschiedel

PD Dr. Henning Wasmus

Prof. Dr. Hanns Wienold

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